Lernen - Ein Kinderspiel

(s. auch Seminare)

Die Erforschung der ersten drei Lebensjahre hat gezeigt, dass die Entwicklung unseres zentralen Nervensystems (ZNS) aus zwei unverzichtbaren Quellen gespeist wird:

Bewegung

Durch spielerisches, Neugier-geleitetes Erforschen des eigenen Körpers und seiner Möglichkeiten, die Körperteile im Verhältnis zueinander zu koordinieren, erlebt jedes Kind im selben Prozess die Bedeutung der Schwerkraft und ihren Einfluss auf die Entwicklung des Aufrechten Gangs.

Beziehung

Eingebettet in und getragen von emotionalen Beziehungen erfährt es im selben Zeit-Raum die soziale Bedeutung von Handlung und Sprache als hoch entwickelter Form symbolischer Interaktion.

So entwickeln wir mit spielerischer Leichtigkeit all die Fähigkeiten, die uns zu „ganzen“ Menschen machen: Wir lernen aufrecht zu gehen und uns selbstständig emotional zu regulieren, entwickeln einen funktionsfähigen Verstand sowie die Fähigkeiten, in sozialen Rollen zu agieren und in Form symbolischer Interaktion zu kommunizieren.

Bis zum Ende des 3. Lebensjahres hat auf diese Weise jeder von uns eine der wichtigsten Etappen auf dem Weg zu Individuation und Sozialisation zurückgelegt und gleichzeitig im selben Prozess sein eigenes Hirnvolumen vervierfacht.

Damit sich aus diesem Prozess heraus „grade klare Menschen“ (Bettina Wegner,[1]), SELBST-bewusste, handlungsfähige und sozial kompetente Persönlichkeiten entwickeln können, braucht es aber mehr:

  • Raum für Neugier und zweckfreies spielerisches Erforschen und Erproben der eigenen Handlungsmöglichkeiten und seiner Auswirkungen
  • ein herrschaftsfreies, emotional unterstützendes soziales Umfeld, das diese Entwicklung fördert, statt sie zu be-/entwerten – oder anders ausgedrückt: „Konstruktive symmetrische Kommunikation“ (KSK)®[2], die Selbstachtung und die Achtung des Anderen als zwei Seiten desselben Entwicklungsprozesses hervorbringt.

Die spezifisch menschliche Fähigkeit des Aufrechten Gangs ist neben der Schwerkraft die zweite prägende Größe bei der Entwicklung unseres Nervensystems und bringt uns direkt zur zentralen Rolle des Gleichgewichts. Durch das Erfahren und die Entwicklung des motorischen Gleichgewichts werden die notwendigen Voraussetzungen geschaffen für ein besseres psychisches und mentales Gleichgewicht und durch die damit verbundene Hirnentwicklung auch die Voraussetzungen für eine schnellere, präzisere und zugleich umfangreichere Auffassungsgabe.

Anders ausgedrückt: Diese von Neugier getriebene, forschende Art sich mit Bewegung zu beschäftigen, fördert das Wachstum des Gehirns und schafft damit auch die strukturelle Basis für das, was wir Intelligenz nennen. Und die Qualitäten, die diesen kindlichen Lernprozess in erster Linie auszeichnen, sind Leichtigkeit, Achtsamkeit, Aufmerksamkeit sowie interessengeleitete Vertiefung in eine Sache.

Alles was wir denken ist über Sensorik und Motorik in unser Hirn gekommen – deshalb sind Sensorik und  Motorik unverzichtbar für unser Gehirn

(Manfred Spitzer, SWR-Abendschau, 30.01.2018)

Ausgehend von diesen Erkenntnissen ist es unsere wichtigste Aufgabe, Lernprozesse so zu organisieren, dass jeder die Chance erhält, sich in seinem persönlichen Prozess weiterzuentwickeln.

[1] Liedermacherin, mit dem Lied „Sind so kleine Hände“ wurde sie weit über die Grenzen der ehemaligen „DDR“ bekannt: „Grade, klare Menschen sind ein schönes Ziel, Leute ohne Rückgrat ha‘m wir schon zu viel“

[2] Dieser Begriff steht auch für: „herrschaftsfreien Diskurs“ (Jürgen Habermas),  potentialorientiert und zieldienlich -  statt defizitorientiert und von denen, die Deutungshoheit beanspruchen, „positiv“ umgedeutet.


ii  Kinder - Bettina Wegner

 

Sind so kleine Hände, winz‘ge Finger dran.

Darf man nie drauf schlagen, die zerbrechen dann.

 

Sind so kleine Füße mit so kleinen Zehn.

Darf man nie drauf treten, könn‘ sie sonst nicht gehen.

 

Sind so kleine Ohren, scharf, und ihr erlaubt.

Darf man nie zerbrüllen, werden davon taub.

 

Sind so kleine Münder, sprechen alles aus.

Darf man nie verbieten, kommt sonst nichts mehr raus.

 

Sind so klare Augen, die noch alles sehn.

Darf man nie verbinden, könn‘ sie nichts verstehn.

 

Sind so kleine Seelen, offen und ganz frei.

Darf man niemals quälen, geh‘n kaputt dabei.

 

Ist so‘n kleines Rückgrat, sieht man fast noch nicht.

Darf man niemals beugen, weil es sonst zerbricht.

 

Grade, klare Menschen wär‘n ein schönes Ziel.

Leute ohne Rückgrat hab'n wir schon zuviel.